
Verkörperte Selbstwahrnehmung beschreibt die tiefe Verbindung zwischen Geist und Körper. Sie bezieht sich auf die bewusste, im Moment erlebte Erfahrung von Empfindungen und Emotionen, die aus dem Körpers in das Bewusstsein kommen, ohne dass diese durch analytisches Denken überlagert werden. Verkörperte Selbstwahrnehmung ermöglicht es, uns selbst durch körperliche Signale wie Spannung, Wärme oder Entspannung unmittelbar zu fühlen und zu erkennen. Sie umfasst verschiedene Ebenen der Erfahrung: die inneren Empfindungen der Interozeption (z. B. Hunger oder Herzschlag), das räumliche Bewusstsein der Propriozeption, die Rhythmen autonomer Prozesse wie Atmung und die Emotionen, die untrennbar mit diesen körperlichen Zuständen verbunden sind.
Diese Verbindung ist nicht nur theoretischer Natur, sondern tief in unserer Biologie verankert. Stress und Trauma können die verkörperte Selbstwahrnehmung erheblich stören, indem sie die Signale des Körpers als bedrohlich oder unerträglich erscheinen lassen. Dies führt zu einer Entfremdung von diesen Empfindungen und beeinträchtigt sowohl die emotionale Regulation als auch die körperliche Gesundheit. Die Wiederherstellung der verkörperten Selbstwahrnehmung hat jedoch das Potenzial, Gleichgewicht und Vitalität zurückzubringen.
Alan Fogel unterscheidet in seiner Arbeit drei Zustände der verkörperten Selbstwahrnehmung, die uns zeigen, wie wir mit unserem Körper in Beziehung stehen. Der erste und transformativste Zustand ist die restaurative verkörperte Selbstwahrnehmung. Sie tritt ein, wenn wir vollständig präsent mit unseren Empfindungen sind, in einem Zustand von Leichtigkeit und Entspannung. Diese Erfahrung ist mühelos und oft begleitet von einer langsameren Atmung, einem ruhigeren Herzschlag und einem tiefen Gefühl der Sicherheit. Restaurative verkörperte Selbstwahrnehmung ermöglicht es uns, tief in unsere Emotionen einzutauchen, was häufig zu Klarheit, Erleichterung und einem erneuerten Lebensgefühl führt.
Im Gegensatz dazu steht die modulierte verkörperte Selbstwahrnehmung, die stärker auf Aufgaben und Handlungen ausgerichtet ist. Dies ist der Zustand, in dem wir uns in unserem Alltag meistens befinden – konzentriert, produktiv und engagiert. Obwohl sie positiv und manchmal sogar belebend sein kann, fehlt ihr oft die Tiefe und das heilende Potenzial der restaurativen verkörperten Selbstwahrnehmung. Schließlich gibt es die dysregulierte verkörperte Selbstwahrnehmung, einen Zustand chronischer Belastung, der durch unverarbeitete Traumata oder Stress verursacht wird. In diesem Zustand fühlen wir uns möglicherweise von körperlichem oder emotionalem Unbehagen überwältigt oder ziehen uns vollständig zurück und erleben Taubheit oder Dissoziation.
Die Unterscheidung dieser Zustände hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Psychotherapie. Traditionelle Gesprächspsychotherapie legt oft den Schwerpunkt auf kognitive und emotionale Einsichten, vernachlässigt jedoch häufig die wesentliche Rolle des Körpers im Heilungsprozess. Fogel argumentiert, dass die Einbeziehung der körperlichen Erfahrungen in die Therapie entscheidend ist, um die Ursachen emotionaler und physischer Dysregulation anzugehen. Indem Therapeuten ihre Klienten in einen Zustand restaurativer verkörperter Selbstwahrnehmung führen, können sie ihnen helfen, wieder mit ihrem authentischen Selbst in Kontakt zu treten und eine tiefe Widerstandskraft zu entwickeln.
Ein ganzheitlicher Ansatz in der Therapie erfordert auch, dass der Therapeut seine eigene verkörperte Selbstwahrnehmung einbezieht. Die therapeutische Beziehung wird zu einem wechselseitigen Prozess, bei dem die Präsenz und Offenheit des Therapeuten einen sicheren Raum für die Heilung des Klienten schafft. Diese Beziehung fördert eine gegenseitige Regulation, die es sowohl dem Therapeuten als auch dem Klienten ermöglicht, Zustände von Leichtigkeit und Verbundenheit zu erleben, die tiefere emotionale Arbeit unterstützen.
Den Körper in die Psychotherapie einzubeziehen, ist nicht nur eine Ergänzung, sondern eine transformative Veränderung, wie wir Heilung verstehen. Unsere Körper tragen die Geschichten unseres Lebens in sich, und indem wir diese Geschichten wahrnehmen, können wir tiefgehende Einsichten und Wege zur Genesung entdecken. Insbesondere die restaurative verkörperte Selbstwahrnehmung bietet die Möglichkeit, über bloßes Bewältigen hinauszugehen und in einen Zustand des lebendigen, präsenten und zutiefst erfüllenden Seins einzutreten. Diese Integration von Körper und Geist in der Therapie ist nicht nur eine Methode – sie ist die Essenz ganzheitlicher Heilung.
Quelle: „Three States of Embodied Self-Awareness. The Therapeutic Vitality of Restorative Embodied Self-Awareness“ by Alan Fogel. International Body Psychotherapy Journal – The Art and Science of Somatic Praxis. Volume 19, Number 1, Spring/Summer 2020, pp. 39-49.